Pferd und Reiter/in

Geschichte eines Monuments

Eine Fotoausstellung von Till Briegleb, Hamburg

16.5. – 14.11.2021

Wenn es eine Skulptur im öffentlichen Raum gibt, die Europa verbindet, dann ist es das Reiterstandbild. Nahezu jede größere Stadt auf dem Kontinent (und auch manche kleine) hatte oder hat noch eins. Der Krieger und Feldherr zu Pferd tauchte in der realistischen Skulptur der griechischen Antike erstmals auf Plätzen und an Tempelanlagen auf. Die Römer setzten in die Garnisonsstädte ihres Reiches Bronzen ihrer erfolgreichen Eroberer und schmückten ihre Triumphbögen damit. Die Renaissance entdeckte diese Form der Verherrlichung von Führerfiguren im Italien des 15. Jahrhunderts neu. Und von hier aus sorgte vor allem der in Florenz tätige Flame Gianbologna im 16. Jahrhundert dafür, dass Herrscher zu Pferd bald in ganz Europa zum ultimativen Repertoire fürstlicher Selbstdarstellung gehörten. Die auf zentralen Plätzen und vor Schlössern thronenden Skulpturen fielen mit Ende der europäischen Kaiser- und Königsherrschaften aber in eine Art Bedeutungsschlaf. Ohne lebendige Gedenktradition verkümmerten die Reiterstandbilder, die nicht zu Kanonenkugel umgeschmolzen worden waren, zu inhaltsleerem Vergangenheitskitsch. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg blieb ihnen nur noch die Rolle als nostalgisches Stadtmobiliar. Als pompöse Ruhebänke für erschöpfte Touristen, Mittelpunkt von Weihnachtsmärkten und Treffpunkt für Liebespaare bildeten sie einen sonst kaum noch beachteten Ankerpunkt für flüchtigen Alltagsnutzen. Erst mit der Black-Lives-Matter-Bewegung erwachten die eitlen Plastiken wieder aus ihrem neuen Dasein mangelnder Aufmerksamkeit. Mit dem Streit über die Reiterstandbilder der Südstaatengeneräle in den USA Donald Trumps wurde erstmals seit Jahrzehnten wieder die eigentliche Funktion dieser Skulpturen beleuchtet. Sie preisen den Krieg und jene Anführer, die am erfolgreichsten ihre Machtansprüche durch Töten betrieben haben. Es sind nicht nur in den USA meist Männer, die Sklaverei, Rassismus und koloniale Ausbeutung befürworteten und betrieben, von Demokratie und Menschenrechten sehr wenig hielten, und ihre Herrlichkeit vornehmlich auf Gewalt und grausame Schlachten gründeten. Die stereotypen Porträts von inszenierten Gecken auf ihren trabenden Gäulen waren plötzlich politisch wieder brandaktuell. Der Journalist und Autor Till Briegleb hat über zwei Jahrzehnte Hunderte der sechsbeinigen Gedenkskulpturen in ihrem urbanen Kontext porträtiert, als globale Fotoerzählung über eine Riesenplastik, die ihre Funktion in der modernen Stadt neu suchen musste. Die Ausstellung im Tempel-Museum in Etsdorf mit über 200 Tafeln begleitet die Buchveröffentlichung von „Pferd und Reiter/in“ des Büro Wilhelm Verlags, der ersten umfassenden Monografie über diese aussterbende Ehrbezeugung.