„Der Garten der Lüste“ Christian Schnurer und Torsten Mühlbach, München

Am Europatag, Freitag, den 9.5.2025, um 18.00 Uhr eröffnen wir die neue Sonderausstellung.

Interessierte sind herzlich eingeladen. Die Künstler sind anwesend.

Ausstellungsdauer: 10.05. bis 03.10.2025

Geöffnet: Di-So. 10.00–17.00 Uhr

Torsten Mühlbach: 1974 in Torgau/Sachsen / 2003 Studium der Bildhauerei an der AdbK München / 2009 Diplom/Meisterschüler
Christian Schnurer: seit 2018 Vorsitzender BBK Landesverband Bayern / Vizepräsident Verband der Freien Berufe Bayern
2018 Kulturpreis Bayern / 2010 Gründung der Halle6 – Werkraum für zeitgenössische Kunst
1998 Gründung der Ateliergemeinschaft Mixküche / 1993-2000 Studium Akademie d. Bild. Künste, München (Diplom) / 1971 geb. in Schwandorf

Im Zentrum der Ausstellung steht Hieronymus Boschs weltberühmtes Triptychon „Der Garten der Lüste“. Das Gesamtwerk, das heute im Museo del Prado in Madrid zu sehen ist, ist vor allem für seine titelgebende mittlere Tafel bekannt. Diese zentrale Tafel präsentiert eine wimmelnde, fantastische Szene nackter Figuren inmitten riesiger Früchte, Vögel und bizarrer Architekturen, die in sinnlichen und rätselhaften Vergnügungen schwelgen. Diese spezifische Tafel bildet den visuellen und thematischen Hintergrund für die gesamte Inszenierung im Tempel-Museum Etsdorf und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für die zeitgenössischen Arbeiten von Schnurer und Mühlbach. Boschs Darstellungen von Vergnügen, Gefahr, Verlockung und Verdammnis spiegeln auf bildhafte Weise auch den Zustand Europas: ein Kontinent, der zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und sozialer Ungleichheit, zwischen humanitären Idealen und der Abwehr von Flüchtlingen, zwischen dem Versprechen von Einheit und den spaltenden Kräften des Nationalismus hin- und hergerissen ist. Im Außenraum empfängt die Besucher eine bewegende Installation „Salva Vida“ (spanisch und portugiesisch für „Rettet Leben“ oder „Lebensretter“): Eine Mauer, errichtet aus orangefarbenen Schwimmwesten, die Christian Schnurer von der Insel Lesbos mitgebracht hat, bildet eine markante Barriere. Hinter dieser Barrikade, als Zeichen fragiler Hoffnung oder trotzigen Festhaltens an Idealen, winkt ein menschlicher Arm mit der Europaflagge im Wind. Ein Straßenschild im Vorgarten des Tempelmuseums definiert diesen Bereich als „Platz der Leitkultur“. Dieses Detail setzt die daneben wehende Europaflagge und die Installation aus Schwimmwesten in einen direkten politischen und symbolischen Kontrast. Es verweist auf die aktuelle europäische Debatte um Identität, Zugehörigkeit und Abgrenzung und hinterfragt, welche „Leitkultur“ ein sich als wertebasiert verstehendes Europa angesichts globaler Herausforderungen tatsächlich lebt oder verteidigt. Torsten Mühlbach bereichert die Ausstellung mit seiner charakteristischen Bildsprache, die oft von Comic-Motiven und popkulturellen Referenzen geprägt ist. Im Zentrum der Ausstellungshalle, vor einer Adaption von Eugène Delacroix’ berühmtem Revolutionsgemälde „Die Freiheit führt das Volk“, inszeniert Mühlbach eine selbstbewusste europäische Superheldin. Anstelle der allegorischen Freiheit erscheinen hier ikonische Popkultur-Figuren wie Superman, Ronald McDonald und Dagobert Duck, eingebettet in das revolutionäre Geschehen. Diese überraschende und humorvolle Gegenüberstellung klassischer Kunst, nationaler Symbolik und globaler Konsumfiguren wirft Fragen nach den heutigen Leitbildern und Idealen Europas auf. Mühlbach nutzt diese vertrauten Figuren, um spielerisch die Komplexität und oft widersprüchlichen Einflüsse zu kommentieren, die das europäische Selbstverständnis prägen. In Bezug auf das Thema des „bedrängten Europas“ greifen Mühlbachs Interpretationen die vielfältigen Belastungen des Kontinents auf: den Druck des globalen Kapitalismus (McDonald, Dagobert Duck), die Sehnsucht nach übermenschlichen Lösungen (Superman) und die Abwesenheit klarer ideologischer Führung (im Kontrast zu Delacroix‘ Freiheit). Am Treppenaufgang zeigt Mühlbach ein großformatiges Porträt von Judith mit dem Haupt des Holofernes aus dem alten Testament. Mühlbach ersetzt den Kopf des Holofernes durch das Antlitz Wladimir Putins und betitelt das Werk „Justice for all“. Die Absurdität treiben die Widersprüchlichkeit und Eskalationsgefahr auf die Spitze. Die latente Gefahr der gegenwärtigen Welt verdichten sich in Objekten wie tickenden Zeitbomben, dem Sprengstoffgürtel eines Attentäters und einem Mobile, das harmlose Prilblumen mit bedrohlichen Scherenschnitten von Panzern und Handgranaten. Eine Videoarbeit dokumentiert die laufende Projektreihe „Der Patriot Tour d‘Europe“ von Christian Schnurer. Als kämpfendes Selbstporträt mit Europafahne im lebensgefährlichen Wasser wird die Installation an verschiedenen symbolträchtigen Orten in ganz Europa gezeigt und repräsentiert den prekären Zustand Europas, das seine Ideale an seinen Grenzen verrät, aber dennoch gerettet werden muss. Zu den Stationen der Tour gehören unter anderem die Biennale von Venedig, Tbilissi, Budapest und Prag. Besonders eindrücklich zeigt die Dokumentation die Installation in Narva, wo sie direkt im Grenzfluss zu Russland schwimmt.